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Leinfelder Haus: Kunstprojekt enthüllt die verborgene Welt der Zwangsprostitution

Eine aufrüttelnde Ausstellung zum Thema Menschenhandel und unfreiwillige Sexarbeit fand im Leinfelder Haus statt. Das Projekt wurde von einem zehnköpfigen Team engagierter Bürgerinnen und Bürger aus Leinfelden-Echterdingen ins Leben gerufen, die das Bewusstsein für dieses oft verschwiegene Problem schärfen wollten.

Der Funke für diese Initiative wurde bei einem lokalen Pressestammtisch entzündet. Die Journalistin Hilke Lorenz hielt dort einen Vortrag über den aufsehenerregenden Paradise-Prozess, der Regina Golke aus Stetten tief berührte. Während dieses Prozesses wurde der Bordellbetreiber Jürgen Rudloff vom Stuttgarter Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt – für Beihilfe zum Menschenhandel, Zwangsprostitution und betrügerische Machenschaften.

Die verborgene Wahrheit hinter der Prostitution

Die Statistiken, die Lorenz präsentierte, waren alarmierend: Zwischen 90 und 95 Prozent der in der Prostitution tätigen Frauen handeln nicht aus freien Stücken. Diese erschütternde Erkenntnis ließ Golke nicht mehr los. Sie beschrieb die gängigen Zwangsmechanismen: Täuschung durch falsche Versprechungen, Einbehaltung von Identitätsdokumenten und Einschüchterung durch Gewaltandrohungen.

Besonders empörte Golke die finanzielle Dimension dieser Ausbeutung. Der Wirtschaftszweig generiert deutschlandweit enorme Gewinne, doch diese fließen fast ausschließlich an Zuhälter und Bordellbetreiber, während die Frauen selbst in prekären Verhältnissen verbleiben. Die tief verwurzelte Vorstellung, dass Frauen als Konsumgüter betrachtet werden können, sei mit einer gleichberechtigten Gesellschaft unvereinbar, betonte Golke. Diese Überzeugung führte 2022 zur Gründung des Arbeitskreises Prostitution Leinfelden-Echterdingen.

Die Ausstellung mit dem Titel „gesichtslos – Frauen in der Prostitution“ präsentierte 40 kraftvolle Fotografien von Hyp Yerlikaya. Die abgebildeten Frauen trugen symbolische weiße Masken, die ihre Anonymität wahrten, während ihre persönlichen Zeugnisse, Befürchtungen und Zukunftswünsche auf begleitenden Tafeln nachzulesen waren. Die Wanderausstellung war zuvor bereits in Stuttgart und Esslingen zu sehen und wurde von der Mannheimer Beratungsstelle Amalie kuratiert.

Vernetzung und fachlicher Diskurs

Das Projekt wurde durch ein breites Netzwerk unterstützt, darunter die Esslinger Beratungsstelle Rahab für Menschen in der Prostitution, die Landeszentrale für politische Bildung, die Bürgerstiftung, die örtliche Volkshochschule und die kommunale Verwaltung.

Die Ausstellung wurde durch ein hochkarätiges Vortragsprogramm bereichert. Gunda Rosenauer vom Ludwigsburger Bündnis gegen Menschenhandel und Jörg Kuebart, Bundesvorsitzender von Zeromacho Deutschland, beleuchteten die problematische Klassifizierung der Prostitution als normales Gewerbe. Auch an der Aufklärung des Paradise-Skandals beteiligte Polizeibeamte teilten ihre Erfahrungen, während der schwedische Kriminalermittler Simon Häggström Einblicke in den skandinavischen Regulierungsansatz gab.

Bei der Vernissage sprachen Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell sowie Astrid Fehrenbach als Vertreterin der Beratungsstelle Amalie. Mitarbeiterinnen von Rahab gewährten Einblicke in ihre tägliche Beratungspraxis. Die Ausstellung war bei freiem Eintritt zugänglich, wobei freiwillige Zuwendungen für die Fortsetzung der Aufklärungsarbeit erbeten wurden.

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